Aktuell

12.01.2004 • Aktualisiert: 06.04.2005
Bernd Lange (MdEP):
Erläuterung zur Diskussion um ein Statut für die Europaabgeordneten

In jüngster Zeit sind einige Berichte über die Diskussion einer einheitlichen Regelung der Abgeordnetenrangelegenheiten in der EU erscheinen. Dazu einige Klarstellungen:
  1. Das Europäische Parlament hat im Juni 2003 einen Vorschlag für das seit 1979 überfällige Statut des Abgeordneten zum Europäischen Parlament beschlossen. Das Statut regelt die Rechtsverhältnisse der Europaabgeordneten, die bislang sehr unterschiedlich sind und auf den Regelungen der nationalen Parlamente basieren. Diese Unterschiedlichkeit ist im Sinne der notwendigen Rechtsklarheit und angesichts der gleichen europäischen Tätigkeit der Abgeordneten nicht akzeptabel. Dieses Statut würde die Rechtsverhältnisse der Europaabgeordneten aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich regeln. Mit dem Statut würden übrigens alle Abgeordnetenregelungen neu sortiert.
  2. Die jetzige Ungleichheit spiegelt sich auch in der sehr unterschiedlichen Bezahlung der Abgeordneten je nach Mitgliedsland wider. Zur Zeit werden die 626 Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf der Grundlage von 15 (demnächst 25) verschiedenen nationalen Abgeordnetengesetzen bezahlt. Das führt zu Diätenunterschieden zwischen ca. 2700 € (Spanien), 7009 € (Deutschland) bis 10.900 € (Italien) Die Festlegung einer einheitlichen Abgeordnetenentschädigung bringt es mit sich, dass es Abgeordnete geben wird, die nach der neuen Regelung brutto mehr bekommen, andere werden brutto weniger bekommen als bisher. Die Behauptung, die Abgeordneten im Europäischen Parlament, haben sich ihre Bezüge erhöht, ist insofern in dieser Pauschalität erkennbar falsch.
  3. Eine unabhängige externe Expertenkommission har als angemessene Höhe des Gehalts vorgeschlagen, sich am Gehalt eines Richters am Europäischen Gerichtshof: zu orientieren und es bei 50% eines Richtergehaltes ohne dessen Zulagen festzulegen. Dieser Empfehlung ist das EP gefolgt, 50% von 17.341,28 € = 8670 € (Stand Juni2003)
  4. Der dadurch nominal höhere Betrag der Abgeordnetenentschädigung für Deutsche Europaabgeordnete ist aber nur die Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte ist: Mit den neuen Diäten ist verbunden, dass alle Abgeordneten künftig für ihre Alterssicherung selbst zu sorgen haben und Beiträge in die Altersversicherung und auch in die Krankenversicherung einbezahlen müssen. Dies ist eine alte richtige Forderung, da die heutigen Versorgungsleistungen sicherlich zu überdenken sind. Heute hat ein Bundestagsabgeordneter und somit ein deutscher Europaabgeordneter nach 8 Jahren Abgeordnetentätigkeit einen Anspruch auf 35 % der Abgeordnetendiät mit Eintritt des Rentenalters. Für diese erhebliche Leistung hat der Abgeordnete zur Zeit nichts aufzubringen, insofern müsste die Versicherungsleistung bei dem Vergleich der alten und zukünftigen Einkünfte sogar zu den jetzigen Diäten hinzugerechnet werden. Eine einfache Überschlagsrechnung mit minimalen Annahmen für Renten- und Krankenversicherung zeigt, dass sich für deutsche Abgeordnete keine materielle Veränderung gegenüber dem Ist-Zustand ergibt.
    Beispiel:
    Diäten neu 8.670 €
    abzgl. min Eigenbeitrag zu Pensionsfonds 1.600 €
    abzgl. Mindestbeitrag zur Krankenversicherung ca. 200 €
    macht ca. 6.870 €
  5. Die durch das Abgeordnetenstatut festgelegte Entschädigung würde aus dem europäischen Haushalt bezahlt. Folglich muss es auch dem europäischen Steuersatz unterliegen. Der von der einschlägigen Boulevardpresse im übrigen vorgenommene Vergleich zwischen europäischer Kopfsteuer und dem Spitzensteuersatz, der in einem Mitgliedsland festgelegt ist, offenbart entweder die völlige Ahnungslosigkeit über Steuersysteme oder - was eher zu vermuten ist - den Versuch, mit Halbwahrheiten Antistimmungen zu erzeugen. So entfallen bei der europäischen Steuer z.B. viele Abschreibungsmöglichkeiten und das Ehegattensplittings.
  6. Das Abgeordnetenstatut bringt für manche Abgeordneten aus anderen Mitgliedsländern in der Tat Verbesserungen. Für andere wird es Verschlechterungen ihrer materiellen Situation bringen. Für die deutschen Abgeordneten wird sich überschlägig netto kaum etwas an ihrer materiellen Situation verändern.
  7. Wenn überhaupt, tritt das Abgeordnetenstatut mit allen seinen Regelungen frühestens in der nächsten Legislaturperiode zusammen mit der neuen Verfassung in Kraft. Damit würde es real wirksam für die Abgeordneten der übernächsten Legislaturperiode, die im Jahre 2009 beginnt.
  8. Das Abgeordnetenstatut würde für im Amt befindliche Abgeordnete ein Optionsrecht eröffnen. Sie können zwischen der bisherigen Regelung und der Regelung nach dem künftigen Statut wählen.
  9. Nachdem das Europäische Parlament entschieden hatte, muss die zweite Kammer der Gesetzgebung, der Ministerrat einstimmig zustimmen. Es ist aber nach den Diskussionen im Ministerrat damit zu rechnen, dass das Abgeordnetenstatut wegen mangelnder Zustimmung der Mitgliedsländer überhaupt nicht in Kraft tritt. Diese mangelnde Übereinstimmung hängt nicht in erster Linie an der Höhe der Abgeordnetenentschädigung, Fragen der Besteuerung und der Immunität lassen einige Mitgliedstaaten nicht zustimmen.
  10. Nachdem klar war, dass der Ministerrat das Statut in einer umfassenden Art und Weise nicht akzeptieren würde, gab es im Dezember einen erneuten Versuch mit einem "abgespeckten" Version. In diesem "Statut light" fehlen allerdings elementare Dinge für die Rechtsstellung eines Abgeordneten. Hier handelt es sich nur noch um eine Gehaltstabelle. Eine solche Lösung ist nicht akzeptabel und keine Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand. Deswegen habe ich am 17.12.2003 gegen diesen Vorschlag gestimmt und hoffe auch, dass dieser im Ministerrat keine Mehrheit findet.

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